Herman The German
In der Nähe von Thames, NZ campte ich an einem abgelegenen Platz direkt am Meer. Auf dem Campingplatz befand sich nur ein weiterer Camper und ein Kombi im Gebüsch. Irgendwann kam der Mann aus dem Kombi auf mich zu und begrüßte mich freundlich. Ich hatte zunächst mächtig Schwierigkeiten sein Englisch zu verstehen. Das lag wohl daran, dass es gar kein Englisch, sondern tiefstes Schwäbisch war und mein Gehirn sich erst umstellen musste. Einer der Bauarbeiter dem ich einen Tee angeboten hatte, hatte ihm wohl gesagt, dass ich Deutsche bin.
Er stellte sich als ‚Herman The German‘ vor, und der Name war Programm. Herman war Ingenieur und ihn interessierte alles was mit Technik zu tun hatte: Bierbrauen, Milchmelkmaschinen, Bauarbeiten, Angeln, Autos … gefühlt alles.
Freedom Camping
Es wunderte mich sehr, dass Herman im Kombi auf dem Parkplatz übernachten wollte, denn der war eigentlich nur für unabhängige self-contained Fahrzeuge, das heißt Camper mit Frischwasser & Abwassertanks, Waschbecken, Toilette und Mülleimer. Diese werden an einer offiziellen Stelle zertifiziert und man bekommt das Zertifikat und den Sticker ans Auto geklebt. Mit diesen Fahrzeugen kann man an ganz vielen Orten in Neuseeland gratis campen und wer dagegen verstößt muss tüchtig Strafe zahlen.
Natürlich hatte Herman kein solches Zertifikat am Auto, welches ihm das Freedom Campen erlaubte. Seine Lösung: er fotografierte es sich von meinem Auto ab um sich demnächst selbst eins auszudrucken und bis dahin wollte er einfach so versteckt in den Büschen parken, dass ihn keiner sieht. Kann man natürlich so machen …
Der Ausflug
Außerdem meinte Herman es gäbe ja ganz in der Nähe öffentliche Toiletten und eine Barbecue-Station. Das wunderte mich, weil die auf meiner Camping-App gar nicht verzeichnet waren. Herman meinte dann er würde sie mir kurz zeigen, wir könnten eben mit seinem Auto vorbeifahren. Also für mich heißt ja ganz ‚in der Nähe’, dass man nachts mit drückender Blase fix hinlaufen kann, aber ich bin einfach mal mitgefahren.
Es stellte sich raus, dass die Toiletten ca. 3,5 Kilometer entfernt waren, also nichts wo man mal eben hinlaufen konnte (denn wenn man wegfährt ist die Chance groß, dass jemand anderes sich den Gratis-Campingplatz schnappt). Auf dem Rückweg wollte mir Herman unbedingt noch die lokale Brauerei in Thames zeigen, die ein so leckeres, hopfiges Bier braute. Beim Eintreten sagte er nur „Da bin ich wieder “ und er wurde freundlich zurück gegrüßt; anscheinend hatte er hier bereits zur Mittagszeit tüchtig Bier verköstigt. Jetzt wusste ich auch wieder warum ich normalerweise nicht mit Fremden mitfahre. Naja, wo wir schon mal da waren, probierte ich ein kleines Bier und nachdem Herman seinen zweiten Krug geleert hatte, machte die Brauerei leider/zum Glück zu und wir fuhren zurück.
Ein merkwürdiger Autokauf
Auch in Neuseeland muss man sein Auto an einer KFZ-Stelle, bei der Post oder ähnlichem umschreiben. Dies geht total einfach und schnell. Herman war jedoch der Meinung das bräuchte man hier nicht, also hat er es auch nicht umgeschrieben. Hermans Vorteil: der Vorbesitzer muss alle Strafzettel bis zur Umschreibung bezahlen (und ich glaube da kommt so einiges auf ihn zu). Hermans Nachteil: der ehemalige Besitzer kann das Fahrzeug als gestohlen melden und dann muss er erstmal das Gegenteil beweisen. Fahrzeugpapiere wie bei uns gibt es nicht wirklich.
Aber auch der Kauf an sich schien mir dubios: Herman hatte seinen Kombi zu einem sehr günstigen Kurs erstanden und unter recht merkwürdigen Umständen von der bekifften Tochter des Vorbesitzers abgeholt, ohne den Verkäufer je gesehen zu haben oder die Hintergrundgeschichte des Autos recherchiert zu haben (das geht hier einfach online, per Email oder SMS). So entspannt und unbedarft muss man erstmal sein, dachte ich mir, und erinnerte mich an meine eigene lange Autokaufcheckliste.
Tausche Butter gegen Brot
Wieder auf dem Campingplatz angekommen, schaute sich Herman an, wie ich in meinem Camper Hängekörbe befestigte und meinte, ich solle doch mit seinem Auto weiter machen. Das lehnte ich dankend ab, gab ihm aber einpaar Meter von meiner Schnur, damit er sein Vorzelt verankern konnte. Irgendwann wurde ihm langweilig und er meinte so ohne Sprit wäre der Abend doch eher öde, also zog er nochmal los Wein oder Bier zu kaufen. Spät am Abend klopfte es dann an mein Fenster und Herman sagte, er würde sich gerade Spiegeleier braten, ob ich nicht noch ne Scheibe Brot für ihn hätte. Im Gegenzug hätte er eine kleine Portion Butter für mich. Also holte ich etwas Brot aus meiner Kühlbox und wir tauschten Butter gegen Brot.
Am nächsten Morgen war Herman fort und ich zog einige Orte weiter zu einem anderen hübschen Freedom-Campingplatz. Dieser war auch am Strand, aber belebter und mehrere Camper waren bereits da. Als ich dort am nächsten Morgen vor meiner Camper-Küche stand um mir einen Kaffee zu machen, kam plötzlich laut hupend ein Kombi auf den Platz gefahren. Da war er wieder, und heißes Wasser für Kaffee konnte er auch gebrauchen. Herman war schon seit den frühen Morgenstunden unterwegs und hatte von Fischern eine kaputte Kühlbox ergattert. Bei der Kühlbox war der Griff abgebrochen und Herman erinnerte sich daran, dass ich Werkzeug, Schrauben und Winkel da hatte um meine Camperküche etwas aufzupimpen. Sein Vorschlag: Er tausche eine Orange und ein angedetschtes Ei gegen Schrauben und einen Winkel. Zufällig hatte ich tatsächlich einen Winkel und Schrauben übrig, also tauschten wir erneut.
Nach der Reparatur zeigte er mich stolz einen abgerissenen Angelhaken mit Köder und Bleikugel, den er irgendwo gefunden hatte und mit dem er gerne angeln wollte. Da ich am Vorabend gesehen hatte, dass auf dem Platz ein passionierter Fischer war, schickte ich Herman zu ihm. Die Herren waren dann so beschäftigt, dass ich mich kurz verabschiedete und unauffällig weiterzog.