Das es in Südamerika mehr Hunde auf der Straße gibt als bei uns, war mir schon vor der Abreise bewusst. Besonders im Norden in den kleinen Andendörfern gibt es verhältnismäßig viele freilaufende Hunde. Die meisten sind Mischlinge aus größeren Hunderassen und man kann das Erbgut von Schäferhunden, Pitbulls, Boxern, Labradoren und ähnlichem erkennen.
Doch die Situation ist zum Glück nicht so schlimm wie befürchtet und mein Eindruck ist, dass die Argentinier den Straßenhunden recht freundlich begegnen. Sie stecken den Hunden ab und an Essen zu, so dass die meisten doch wohl genährt scheinen. Auch vom Verhalten her sind die Hunde ziemlich entspannt, sie schlafen gerne mal mitten auf dem Bürgersteig, der Straße, in Restaurants oder Parks, und ganz selbstverständlich steigt man über sie drüber oder geht drum herum. In Patagonien sind auch etliche ältere Semester dabei und der ein oder andere davon hat sich tüchtig Winterspeck angefressen. Anscheinend gibt es hier auch Organisationen die sich um Kastration, Adoption und ähnliches kümmern.
Meine vierbeinigen Freunde
Als ich ziemlich müde und orientierungslos im kleinen Andendorf Tilcara am Busbahnhof stand und verzweifelt versuchte meine Navigations-App ans laufen zu kriegen, setzen sich unauffällig ein großer Schäferhund und ein Mischling neben mich. Zunächst war ich skeptisch, doch die Hunde wirkten nicht bedrohlich. Trotzdem habe ich sie vorsichtshalber lieber erstmal ignoriert und mich bei Passanten nach dem Weg erkundigt.
Als ich mich dann auf den Weg machte, standen die Hunde auf und begleiteten mich. Das war mir sogar ganz lieb, da sie die andere bellende Hunde von mir fern hielten. Die Gegend, durch die ich marschierte, war abgelegen und wirkte doch etwas gruselig, aber allein durch ihre Präsenz sorgten die Hunde dafür, dass andere Fußgänger die passende Distanz zu mir einhielten. An der Unterkunft angekommen, hatte ich leider weder Essen noch Trinken für meine vierbeinigen Freunde, also bedankte ich mich mit einer kleinen Streicheleinheit.
Ich traf die Hunde noch mehrfach, zum Beispiel warteten sie noch vor meiner Unterkunft als ich mich etwas später ins Zentrum aufmachte um etwas essen zu gehen. Seit dieser Begegnung habe ich eigentlich immer etwas Hundefutter oder Leckerlis in meiner Handtasche.
Mittlerweile weiß ich, dass die Straßenhunde in den Touristengegenden gerne mal Touristen begleiten und sich über Gesellschaft und Aufmerksamkeit freuen. Allerdings muss man wissen, dass nicht alle dieser Hunde besitzerlose Straßenhunde sind, viele haben durchaus ein Zuhause.
Nur die Mentalität was die Hundehaltung betrifft ist etwas anders: viele Leute halten hier Hunde zur Bewachung von Haus und Hof. Wie in Deutschland auch gehen manche Besitzer mit ihren Hunden spazieren. Und dann gibt es noch die Besitzer, die ihre Hunde alleine Gassi gehen lassen. Wenn den Hunden danach ist, schlüpfen sie durch Zaun oder Tor und drehen eine Runde durch die Stadt. Die Freiheit, die diese Hunde haben, ist unglaublich, denn sie können beliebig die Gesellschaft anderer Leute und Hunde suchen, spazieren so viel sie wollen und sich natürlich obendrein hier und da noch einen Snack abholen. Die Dorfbewohner können viele der Hunde ihren Besitzern zuordnen, auch ohne Halsband oder Markierung, und behandeln sie dementsprechend nett. Das Leben dieser Hunde wirkt total entspannt und schön. Vermutlich bräuchte ich hier meiner Katze nicht mit dem Spruch ˋdu sollst ja auch nicht leben wie ein Hund´ kommen.
Doch das freie Hundeleben hat auch seine Schattenseiten, wie zum Beispiel die Gefahr des Straßenverkehrs. Unschön sind auch die zahlreichen Hinterlassenschaften auf den Gehwegen und die allgegenwärtigen Bellkonzerte. Doch neben dem Verkehr, dem Lärm und der Hundescheiße gibt es noch ein weiteres Problem: nicht alle dieser Hunde sind wohlerzogen und Menschen oder anderen Tieren freundlich gesonnen. So sagte mir der Herbergsvater in Purmamarca auf meine Frage ob man abends sicher alleine durch die Straßen gehen kann, dass die Menschen kein Problem seien, aber man sollte auf die Hunde aufpassen.
Denn am selben Tag hatte es einen Vorfall mit einer Belgierin aus dem selben Hostel gegeben. Diese war zu einem beliebten Aussichtspunkt in dorfnähe hoch gestiegen und ist beim Abstieg wohl zu nah an einen Privatgrundstück/Privatweg entlang gegangen (nicht alle Wanderwege sind hier mit Schildern ausgestattet). Daraufhin wurde sie von fünf Hunden umrundet und dann attackiert. Drei der Hunde konnten der Hausbesitzerin in der Nähe zugeordnet werden und waren gegen Tollwut geimpft. Die anderen beiden Hunde, die sich wohl aus Spaß dazugesellt hatten, waren unbekannte Straßenhunde und höchstwahrscheinlich nicht geimpft. Am Frühstückstisch berichtete sie mir dann, dass, laut der Ärzte, in Argentinien und den Nachbarländern seit über einem Monat der Tollwutimpfstoff für Menschen ausverkauft ist, und sie trotz ihrer zahlreichen Bisswunden keine Impfungen bekommen würde. Ich habe erstmal drei Kreuze gemacht, dass ich die Tollwutimpfungen schon in Deutschland gemacht habe. An ihrer Stelle säße ich wahrscheinlich direkt im Flieger nach Hause, doch sie wartete ob die Polizei die beiden Hunde noch ausfindig machen würde.
Solche Beißattacken scheinen hier wohl keine Seltenheit zu sein, denn eine andere Reisende berichte mir zeitnah von einem ähnlichen Vorfall in ihrem Hostel in einer anderen Stadt. Wenn ich das richtig beobachtet habe, ist die Kombination freilaufend & Wachhund mit besonderer Vorsicht zu genießen, da die Hunde oftmals den Gehweg und die Straße als Teil ihres Territoriums sehen.
Allerdings scheint mir das Hundefutter in meiner Handtasche auch bei solchen Begegnungen nützlich zu sein, zumindest ließen sich die unentschlossen Hunde mit einer raschelnden Plastiktüte bisher gut ablenken und wurden doch eher neugierig.